Versorgung neu denken!
Politik und Verbände diskutieren die Zukunft der Heilmittelberufe

 

 

Versorgung neu denken! Politik und Verbände diskutieren die Zukunft der Heilmittelberufe

„Der Therapiegipfel ist für die Heilmittelerbringer das gesundheitspolitische Highlight des Jahres.“ Mit diesen Worten begrüßt der SHV-Vorsitzende Andreas Pfeiffer alle anwesenden Gäste, Diskutanten und Funktionäre aus Verbänden und Politik zum 5. SHV-TherapieGipfel in Berlin. Vor vollen Rängen folgte auf eine kurze Bilanzierung der gemeinsam erreichten Ziele der vergangenen Jahre der Ausblick auf die bevorstehende Podiumsdebatte. Bezugnehmend auf das diesjährige Leitmotto der Veranstaltung Versorgung neu denken! erneuerte A. Pfeiffer die zentralen Themen und Forderungen, die seitens der Heilmittelerbringer an die Politik ergehen, weil von ihrer Erfüllung wesentlich abhängt, wie es um die Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen zukünftig bestellt sein wird. Die Liste der Themen ermöglichte eine spannende Diskussion: Mehr Anerkennung für die Berufe und Mitbestimmung im G-BA, Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit, Bürokratieabbau, Direktzugang und Digitalisierung – um hier nur einige zu nennen.

Im Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) e.V. haben sich die sechs größten Berufsverbände der Heilmittelbranche zusammengeschlossen: Deutscher Bundesverband für Logopädie (dbl), Deutscher Bundesverband für akademische Sprachtherapie und Logopädie (dbs), Deutscher Verband Ergotherapie (DVE), Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK), Physio Deutschland (ZVK) und Verband für Physiotherapie (VPT).

 

Lauterbach kündigt unter anderem Vollakademisierung der Logopädie an    

Per Videobotschaft setzte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch vor Beginn der Podiumsdiskussion erste Wegmarken, an denen sich die Politik seines Ministeriums zukünftig wird messen lassen müssen. Im Rahmen des geplanten Versorgungsgesetzes stellte er etwa den Direktzugang konkret in Aussicht – vorläufig noch im Modellvorhaben. An die Reform der Berufsgesetze der Physiotherapie, so der Gesundheitsminister, sollen sich die Reformen von Logopädie/Sprachtherapie und Ergotherapie „zeitnah anschließen“ (Lauterbach). Bereits im Vorfeld der schrittweise durchzuführenden Berufsreformen sollen die neuen akademischen Ausbildungsangebote in den Heilmittelberufen rechtssicher geschaffen und vom Modell- in den Regelzustand überführt werden können. Auch dafür gab es von Lauterbach eine Zusage. Inhaltlich vage blieb dagegen, was mit den „maßvollen Anpassungen“ (Lauterbach) der Rahmenbedingungen gemeint ist, die den Übergangszeitraum organisieren und strukturieren sollen.

Breiten Applaus aus den Reihen der anwesenden Logopäden und Sprachtherapeuten, aber auch aus dem übrigen Plenum bekam Lauterbachs Zustimmung zur Vollakademisierung der Logopädie/Sprachtherapie, wie sie auch Bund und Länder im Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe vorschlagen. Dass der eingeschlagene Weg zur Akademisierung der Therapieberufe der richtige ist, dazu bekannte sich anschließend auch Dr. Oliver Grundei, Staatssekretär im Ministerium für Justiz und Gesundheit in Schleswig-Holstein. Im Anschluss an Lauterbachs Videobotschaft stellte er sich in der Entscheidungsfrage nach der Voll- oder Teilakademisierung hinter den Bundesminister und sprach sich für die Teilakademisierung aus, die Lauterbach bereits im vergangenen Jahr für die Physiotherapie favorisiert hat. Ausdrücklich mit dem Hinweis versehen, dass es sich dabei um eine Einschätzung „Stand jetzt“, also nicht um das „Ende der Fahnenstange“ handele.   

 

Was bedeutet es für die Reform der Berufsbilder und die interprofessionelle Zusammenarbeit, wenn wir Versorgung neu denken?

Den ersten Teil der Podiumsdiskussion eröffnete dann Markus Algermissen, Bundesministerium für Gesundheit. Von Moderatorin Sabine Rieser direkt auf die konkreten Umsetzungsschritte angesprochen, mit denen der angekündigte Gesetzentwurf „auf die Straße gebracht“ (Algermissen) werden soll, kommt das Gespräch schnell bei den großen Themen an. Von den Vertretern des SHV wurde vor allem die Legitimierung der Teilakademisierung in der Physiotherapie als pragmatische, da jetzt machbare Zwischenlösung mit dem Gegenargument gekontert, sie trage dazu bei, „den Systembruch in Europa zu stabilisieren“ (A. Pfeiffer).  

Nur für einige ein Widerspruch: Die SHV-Vertreter stellten fest, dass eine Unterscheidung zwischen einer hochschulischen und fachschulischen Ausbildung mit Blick auf die Therapieprozesse nicht funktional sei. Widerstand provozierte daher vor allem Algermissens perspektivische Aussage, dass „ein wesentlicher Unterschied bei den diagnostischen Kompetenzen liegen wird“ und sich dieser Unterschied in den Direktzugang verlängern wird.

Einigkeit herrschte dagegen beim Thema Durchlässigkeit, die bei Umsetzung der Teilakademisierung in der Physiotherapie unbedingt und in alle Richtungen gewährleistet sein muss, soll der Schritt wirksam dazu beitragen, den Fachkräftemangel abzubauen. Die Teilakademisierung, so Algermissen auf die Anschlussfrage, ob und wie genau Versorgung dabei neu gedacht wird, sei kein harmloser „Trippelschritt“, sondern vielmehr „der Einstieg in eine reguläre hochschulische Physiotherapieausbildung“. Es sei dieser Schritt, der „eine bessere Grundlage schafft, um Interprofessionalität zu fördern“, die eben nicht nur zwischen Ärzten und akademisierten Angehörigen der Gesundheitsfachberufe möglich sein darf. Diese „neu gedachte“ Interprofessionalität auf Augenhöhe bejaht und fordert im Einvernehmen mit den anderen Podiumsteilnehmern auch Dr. med. Ellen Lundershausen (Bundesärztekammer), die in diesem Kontext auch sehr gelassen auf das angebliche Reizthema Direktzugang blickt. Was hier aus Ärztesicht interessiert, ist vor allem die Qualifizierung, die erkennbar, also transparent sein muss. Daneben spielen Fragen der Haftung und der Budgetverantwortung eine Rolle. Sind diese Fragen geklärt, spricht nichts gegen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, ohne die das „System am Ende auch gar nicht funktioniert.“ (Dr. med. Ellen Lundershausen)

 

Die Therapieberufe verlieren an Attraktivität – woran liegt das?

Nicht weniger kontrovers ging es im zweiten Teil weiter. Hier stand zunächst die Vergütungsfrage im Mittelpunkt: Inwieweit trägt die Unzufriedenheit mit dem Gehalt zum Attraktivitätsverlust und den häufigen Berufsausstiegen in den Therapieberufen bei? Sehr viel, wie sich zeigt, denn im Vergütungsranking mit anderen Berufen, auch im medizinischen Bereich, „bildet die Physiotherapie das einsame Schlusslicht.“ (M. Pintarelli-Rauschenbach) Hinzu kommen die Rahmenbedingungen insgesamt, zu denen verschiedene Kostensteigerungen im Praxisbetrieb ebenso gehören wie der immense bürokratische Aufwand, der nicht vergütet wird. Die Prüfpflicht, das Einziehen der Zuzahlungen etc. müssen „politisch geprüft und ggf. abgeschafft werden.“ (D. Karrasch) Zustimmung kam von der Bundestagsabgeordneten Saskia Weishaupt (Die Grünen), die anerkennt, dass es in Zeiten der Teuerung nicht ausreicht, allein auf die Vergütung zu schauen, wenn deren Steigerung direkt der Inflation zum Opfer fällt. Ein zweiter Punkt betrifft die Vergleichbarkeit der Gesundheitsberufe. Auch hier äußerte sich Weishaupt kritisch mit Blick auf unser „Arzt-zentriertes System in Deutschland“ (Weishaupt), das dazu führt, dass wir sehr gut ausgebildete Fachkräfte in den Gesundheitsfachberufen haben, die mehr können, als sie am Ende dürfen. Das heißt, hier liegt Potential für eine leistungsangemessene Vergütung sowie mehr Autonomie für die Berufsangehörigen in der Therapie. „Die Vorgaben zur Auswahl der Therapie und der Behandlungszeit verhindern viel zu häufig, dass die Therapeut*innen ihre Expertise voll entfalten und ihre Kompetenz anwenden können“, betont M. Pintarelli-Rauschenbach.  

Beim Thema Behandlungszeit kam dann schnell die Überarbeitung der Leistungsbeschreibung ins Spiel. Die Forderungen der Heilmittelerbringer für bessere Rahmenbedingungen liegen seit langem auf dem Tisch: Mehr Flexibilität bei der Behandlungszeit, Anerkennung von Diagnostik und Befundung als „elementare Bestandteile der physiotherapeutischen Arbeit“ (H. Hecker) und die effizientere Anwendung von gelernten Kompetenzen und digitalen Hilfsmitteln. Ändert sich der Rahmen durch eine Anpassung der Leistungsbeschreibung, so die klare Haltung auf dem Podium, erreichen wir eine Aufwertung der Berufe – finanziell und ideell.  

 

 

Der Therapiegipfel wird jährlich vom SHV als hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion veranstaltet, um gemeinsam im Dialog mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik und der Kassen Kernforderungen der Branche an die politischen Entscheidungsträger in Berlin zu richten.

 

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4. TherapieGipfel 2022

 

Volles Haus beim 4. TherapieGipfel des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) e.V.

Klare Botschaften von Lauterbach für alle Heilmittelerbringer: Vergütung absichern, Direktzugang und Akademisierung vorantreiben

„Wir wollen die bessere Vergütung weiter absichern und auf einen belastbaren Weg bringen. Wir wollen den Direktzugang ermöglichen. Und wir wollen die Teilakademisierung einführen, um eine eigene Evidenz zu ermöglichen.“ – Vor vollen Rängen positionierte sich Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach beim 4. TherapieGipfel des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) klar für bessere Bedingungen für die Heilmittelerbringer. „Es wird an allen Ecken und Enden gleichzeitig gearbeitet. Sie können sich darauf verlassen, dass wir auch an Sie denken“, richtete sich der Minister direkt an die gut 450 Teilnehmenden in Berlin und überzeugte im Folgenden mit einer gut informierten und fachlich fundierten Analyse der Situation in den Heilmittelberufen. Weiter lesen

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3. TherapieGipfel 2021

Ein TherapieGipfel mit klaren Botschaften an die neue Bundesregierung
Am 12. November 2021 fand der 3. TherapieGipfel des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV) statt. Knapp 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten online die zweistündige Podiumsdiskussion, zu der der SHV-Vorstand mit seinen Gästen in Berlin zusammengekommen war. Dabei ergaben sich klare Forderungen und Erwartungen in Richtung der neuen Koalition. Weiter lesen

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TherapieGipfel 2020

Nach zwei erfolgreichen Therapiegipfeln mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und jeweils rund 500 Teilnehmern muss diese berufspolitische Großveranstaltung des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV) aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr leider ausfallen.

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2. TherapieGipfel 2019

Weitere Mitteilungen finden Sie hier:

Pressemitteilung vom 07.10.2019

Pressemitteilung vom 10.09.2019

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1. TherapieGipfel 2018

 

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